Deutsche Skiläufer mit Heizhosen aus Reutlingen/Denkendorf bei Olympia am Start
Seit Samstag wird wieder um Sekunden, Meter und Medaillen gekämpft. Doch bevor sich die Skifahrer den Hang hinunterstürzen, gibt es für die Athleten auch Leerlauf. Während langer Wartezeiten zwischen Aufwärmen und Start drohen die Muskeln zu erkalten. Hier bietet die moderne Textilforschung für die deutschen Sportler eine Lösung: die innovative Heizhose.
Bisher gab es beheizbare Wettkampfbekleidung nur für Leichtathleten. Charly Waibel, ehemaliger Bundestrainer der alpinen Damen und Herren-Ski-Teams ist heute beim Deutschen Skiverband verantwortlich für Wissenschaft und Material. Er war mit der bisher erhältlichen heizbaren Wettkampfbekleidung nicht zufrieden. Deshalb wendete er sich an Markus Milwich, Professor am Lehr- und Forschungszentrum interaktive Materialien (IMAT) an der Hochschule Reutlingen und Bereichsleiter an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF).
„Die Idee für die wärmende Hose entstand eher durch Zufall“, erzählt Milwich. Der Textilforscher und Waibel kennen sich schon seit 2003. Damals ging es darum, bionische Prinzipien für Skianzüge nutzbar zu machen. Aufgestickte Haifischstrukturen sollten den Luftwiderstand verringern. Dies funktionierte zwar bei 20 Grad Celsius, aber nicht bei tiefen Temperaturen. Milwich schlug deshalb scherzhaft vor, das Textil eben auf die nötige Temperatur aufzuheizen. Waibel gab zu bedenken, dass „das Einbauen von Elektronik im Rennanzug durch das Reglement verboten“ sei.
Doch der Gedanke ließ Waibel nicht mehr los und so kam ihm im Sommer 2017 die Idee, vom Team des Reutlinger / Denkendorfer IMAT eine spezielle Heizhose entwickeln zu lassen, die die Sportler während der Viertelstunde nach dem Aufwärmen bis zum Start warmhält. Die wärmende Überhose kann vor dem Start mit einem Handgriff schnell entfernt werden.
Hier kam die Firma Bogner ins Spiel, seit 1952 offizieller Ausrüster des Deutschen Skiverbands. Ororr Kereszci von der Hochschule Reutlingen hat im Rahmen ihrer Bachelorarbeit die Hose entwickelt und gefertigt. Gemeinsam mit ihrem Betreuer Sebastian Micus von den DITF integrierte sie Heizelemente mit der nötigen Elektronik und einen leistungsfähigen Akku in die von Bogner zur Verfügung gestellten Skihosen. Die Hosen schließen mit dem Knie ab, da die Skischuhe nicht gewärmt werden sollen.
Die deutsche Skirennläuferin Kira Weidle hat die Hose bei den Abfahrtsläufen in Garmisch im Februar getestet: „Die Hose ist super und funktioniert gut, vor allem wenn es Verzögerungen beim Start gibt, zum Beispiel, wenn die Strecke durch einen Unfall eine Zeitlang nicht freigegeben wird. Die Hose ist beliebt bei den Sportlern und bereits Standard“ so Weidles Urteil. Die anderen Nationen seien sehr neugierig, was die Deutschen für eine Hose haben, fährt sie fort. Sie bemängelt nur die bisherige Größenverteilung der Hosen. Ihre sei etwas zu eng, denn die anderen Größen hätten die Herren „schon nach Südkorea entführt“.
Es werden unter den Athletinnen und Athleten Wünsche laut, weitere Kleidungsstücke zu beheizen, wie zum Beispiel Socken. „Kein Problem“, sagt Milwich „Die Socken könnte man leicht über die Hose mit Energie versorgen.“
Es lohnt sich also, bei den alpinen Wettkämpfen in Pyeongchang vor dem Start genauer hinzuschauen, was die Sportler tragen. Künftig könnte die Heizhose auch Freizeitsportlern gute Dienste erweisen.
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